Vielleicht kennst du folgende Situation: Du bist im Großen und Ganzen (nach etlichen Stunden der Selbstreflexion), mittlerweile recht zufrieden mit dir und deinem Menschsein. Manches an dir gefällt dir mehr, anderes weniger. Du weißt um deine Stärken, aber auch um deine Schwächen.
Und dann gibt es Momente, wo du ein Verhalten an dir bewusst wahrnimmst. Weder gefällt es dir and dir, noch würde es dir an anderen gefallen. Das Eine ist es zu erkennen (und das verdient ein anerkennendes WOW, wie viele machen ihr Leben lang die Augen zu? Es liegt ja wohl an den anderen, nicht an mir …), es anzunehmen ist der nächste Schritt, etwas daran zu verändern, scheint mir vom Gefühl her, manchmal gleich einer Ozean-Überquerung mit einem Ruderboot zu sein.
In so einer Situation bin ich, und das sicher nicht zum ersten Mal bzw. letzten Mal. Ich erlebe eine Verhaltensweise, eine Reaktion von mir, die mir unakzeptabel, meiner nicht gerecht scheint. Ich leide, ich hadere mit mir, und kein Mensch der Welt, könnte strenger mit mir „ins Gericht gehen“, als ich selbst. Ich fühle mich wie ein Käfer am Rücken liegend, die Beine zappelnd nach oben gereckt. Ich möchte wieder auf meine Beinchen zurück, auch habe ich genug von empfohlenen Perspektiven-Wechsel („Stell doch die Welt mal auf den Kopf und die Lösung naht!“), aber ich kann nicht. Ich möchte erkennen, wahrnehmen und sofort mein Verhalten verändern! Wissend, dass es das nicht spielt.
Da gibt es also Menschen in meinem Leben, von denen ich mich distanziert habe. Dieses Recht, mich von Personen, die mir nicht gut tun zurückzuziehen, gestehe ich mir mittlerweile zu. Das heißt aber noch lange nicht, dass diese Tür für immer verschlossen bleiben muss. Das ist eine Momentaufnahme. Das erfordert Mut, kann natürlich auch Unverständnis auslösen und kann einen Rattenschwanz an Gefühlswirrwarr auslösen. Noch dazu, wenn meine Entscheidung, meine Verhaltensweise auch Auswirkungen auf meine Lieben um mich herumhaben.
Ich könnte auch einen anderen Weg wählen, einen Weg der Konfrontation – wie immer der dann aussieht, aber ich mache es nicht. Ich kann nicht. Ich bin blockiert. Das Bild des am rückenliegenden Käfers, könnte ich auch auswechseln, mit einem Bild meiner einzementierten Füße in Plastikkübeln. Eine Bewegung ist unmöglich. Arghhh!
Vielleicht fragst du dich: Aber du machst doch Yoga, kannst du da nicht quasi eine Antwort „aus dem Ärmel schütteln“? Nein, wenn ich es könnte, wäre ich wahrscheinlich bereits erleuchtet.
Somit, ja, auch trotz Yoga geht es mir hin und wieder so. Vielleicht komme ich durch Yoga überhaupt erst in solche Situationen? Yoga öffnet unseren Geist, unser Herz, „leitet“ uns mal galant charmant, mal drängender zum Hinschauen. Genau auf jene Eigenschaften, die wir am liebsten ausblenden, wie alte Kleider von uns streifen möchten. Wir müssen alle Eigenschaften in uns integrieren, nicht nur die, die uns schmeicheln.
Yoga ist eine Unterstützung, Yoga gibt uns Tools an die Hand, und dann beginnt die – manchmal zähe, aber unglaublich bereichernde – Arbeit. Zu glauben, wir stellen uns auf die Matte, atmen ein bisschen und sind frei von negativen Gedanken und Gefühlen, wäre schön, aber naiv gedacht.
„Love is always the answer“. Ein Zitat, dass mir ein Wegbegleiter an die Hand gab, als ich gerade schrecklich mit der Erziehung meines Sohnes überfordert war, mir damals sehr geholfen hat und nichts an Wahrheit eingebüßt hat. Warum fällt es nur manchmal so schwer dieser Wahrheit zu folgen?
Denn auch die Selbstliebe ist damit gemeint. Es hilft nichts, wenn wir uns verurteilen, uns aufgrund unserer Unvollkommenheit fertigmachen. Den genau in solchen Situationen, wo wir fürchterlich mit uns hadern, genau dann brauchen wir unsere Selbstliebe noch mehr. Schenken wir uns selbst eine innerliche Umarmung und Trost.
Was immer uns missfällt – an uns, oder an anderen – die Lösung liegt zunächst im Wahrnehmen dessen was ist (ob uns das gefällt oder nicht, ob durch uns oder andere ausgelöst, ganz gleich), im Annehmen (integrieren) und im gleichzeitig vertrauensvollen Loslassen. Wissend, dass eines Tages (und nicht, wenn wir es möchten!) eine Antwort auf uns zukommt. Und wie so oft, wird es genau dann geschehen, wenn wir es am wenigsten erwarten.
Denn, es gibt für alles einen Grund. Für Verhaltensweisen und Reaktionen die uns nicht gefallen, für Zeiten, wo wir blockiert, erschöpft sind, oder wir bewegungsunfähig scheinen. Manchmal kann eine „Starre“ auch ganz gut sein. Vielleicht sollen wir JETZT nichts verändern, nicht weitergehen, weil es ganz einfach nicht der passende Zeitpunkt für uns ist.
Alles Liebe & Namaste,
Astrid
Wilhelm Martin Leberecht de Wette