… mir fehlt die Kraft, es scheint so, als bin ich im Begriff, meine Balance zu verlieren. Vielleicht nur ein flüchtiges Gefühl … Ich bemühe mich tief und bewusst zu atmen, aber die Umstände, das Gespräch schnüren mir nicht nur die Kehle zu, sondern verursachen auch ein beklemmendes Gefühl in der Brust. Vertrautes Gefühl oder völlig unbekannt?
Du denkst, ich hab` alles im Griff und kontrollier was geschieht, aber ich steh nur hier oben und sing mein Lied … (Songzeile Ich + Ich / Stark)
… ich singe kein Lied, ich sitze nur hier und Tränen kullern mir wie seit Kindertagen nicht mehr. Tränen wo wart ihr? Ich versinke tiefer und tiefer ins Sofa und werde kleiner und kleiner.
Wo führt das hin?
Alte Geschichten, lang lang her. Du denkst, diese sind lange kein Thema mehr, und plötzlich, wie ein Wolkenbruch, ergießt sich das Elend, der Schmerz über dich. Auslöser kann ein Satz sein, oder auch eine unbedachte Bemerkung sein. Was harmlos begann, entpuppt sich als die Gelegenheit, sich mal richtig auszukotzen, verschwiegenes – genau jetzt – anzubringen.
Warum auch nicht? Wir sind Menschen und keine Maschinen. Wir haben nicht jede Situation fest im Griff, auch wenn wir das so gerne möchten.
Wurde etwas von meiner Festplatte gelöscht? Warum kann ich mich an vieles in meiner Kindheit nicht erinnern? Und warum möchte man mir Schönes einsuggerieren, was verspricht man sich davon?
Wird wohl seinen Sinn haben, woran wir uns erinnern können, und woran nicht.
So denke ich jedenfalls.
Ich sitze auf dem Sofa und schweife gedanklich immer wieder ab. Wo bin ich? Sitze ich immer noch hier, oder bin ich in einer Parallelwelt?
In solchen Momenten gibt es nichts zum Anhalten, keine Stopp-Taste wie in einem Aufzug.
Es tut einfach nur weh.
Was tun? Alles über sich ergehen lassen? Aufschreien wie ein junger Wolf auf der Suche nach seiner verloren geglaubten Mutter? Aufstehen und davonlaufen? Nein, heute nicht, heute habe ich das Gespräch gesucht, heute laufe ich nicht davon.
Ist das die Wahrheit? Wenn ja, wessen Wahrheit?
Die Vergangenheit holt uns ein. Immer wieder mal. Je nachdem, ob wir im Laufe der Jahre mal zu den Dingen – die uns passiert sind, die wir nicht wollten, da wo uns niemand gefragt hat, ob wir diese erleben möchten oder nicht – mal hinsehen oder bewährte: „Ich kehr das mal unter dem Teppich-Methode anwenden. Da wo ich keine Aufmerksamkeit hinlenke, da wird sich auch nichts – wie ein Flächenbrand ausbreiten. Ja, alles bleibt dann so wie es ist. So schlimm war`s ja (gar) nicht. Mit anderen verglichen. Wenn ich mir dann noch alles Geschehene schönrede, ein bisschen Farbe hinzufüge – au ja, das Leben ist schön.
Alles ist gut.
Wenn`s nur so einfach wäre, hm? Oder ist es das gar für manche?
Also, da sitze ich und werde konfrontiert, möchte sagen überschüttet (ich denke da eine Lawine, die gerade den Hang hinunterpoltert) mit alten Geschichten aus meiner Kindheit und Jugend; und kurz vergesse ich all das Schöne, das Gute, das immer noch da ist, aber exakt in diesem Moment nicht griffbereit.
In diesem Moment habe ich keine Toolbox – wo ich nach Bedarf nehmen kann was ich brauche – parat. Kein Sicherungsseil, keine Atemübung, keine Yogaposition.
Ich besinne mich dennoch auf meine Atmung. Atmung wo bist du? Ich japse nach Luft wie ein kleiner Hund vor dem Ertrinken, aber selbst die Luft ist zurzeit nicht gegenwärtig (für mich).
Was also ist in solchen Situationen zu tun?
Präsent bleiben. Zuhören (jedes Wort), spüren (jede Körperregung), Annehmen (bedingungslos), durchgehen (durch all unsere Emotionen) und dann aber auch loszulassen. Das ist einer jener Momente, all das Gelernte der letzten Jahre umzusetzen. Dafür „üben“ wir uns u.a. im Yoga. Damit wir auf Situationen wie diese vorbereitet werden.
ZUHÖREN
MITFÜHLEN
SICH IN VERGEBUNG ÜBEN
SICH IN TOLERANZ ÜBEN
SICH SELBST (WENIGER) WICHTIG ZU NEHMEN
So sitze ich also am Sofa. War das Sofa immer schon so groß, oder bin ich geschrumpft?
Ich lasse alles zu, alles raus. Was habe ich zu verlieren?
Nichts.
Ich habe die Wahl, ich „schlage“ verbal (sofort) zurück, oder ich höre zu. Auch wenn es mich noch so beutelt, noch so juckt „zurückzuschlagen“, entscheide ich mich bei mir zu bleiben, zuzuhören. Zeitweilig fühle ich mich wie ein Tier auf dem Weg zur Schlachtbank. Wenn es fast unerträglich ist, und ich spüre gleich vor lauter Unrecht platzen zu müssen, lasse ich meinen Tränen freien Lauf.
Ich sammle mich wieder, ich beruhige mich. Höre weiterhin zu.
Was habe ich zu verlieren?
Nichts.
Alles ist seit langem überfällig.
Und langsam langsam scheint ein Ende in Sicht zu sein. Worte werden weniger. Tränen hören auf zu fließen.
Das ist gut.
Eine Begebenheit – zumindest – für diesen Moment anzunehmen wie sie ist. Ohne gleich wieder zu interpretieren, zu bewerten. Etwas sein zu lassen, im Raum stehen zu lassen. Nicht sofort wieder in die (gewohnte) Verteidigungsposition zu gehen, verbal zurückzuschlagen.
Ich sage nicht, dass das leicht ist. Aber möglich.
Auch wenn das Bedürfnis sich zu erklären groß ist, dennoch still zu bleiben.
Den Schmerz und die Wut des anderen anzunehmen.
(Aus Erfahrung) wissend, ich tu mir nichts Gutes die „Keule auszupacken“ und wie die Feuerstein`s damit herumzuwirbeln.
Für jetzt ist es mal gut. Ein emotionaler Damm ist gebrochen werden, und das ist gut. Daraus kann Neues entstehen – wenn wir es zulassen.
Die Zeit für sich arbeiten zu lassen.
Heilt die Zeit alle Wunden?
Jedenfalls: In der Wut verliert der Mensch seine Intelligenz (Dalai Lama).
Und das weiß ich definitiv aus Erfahrung.
Alles Liebe & Namaste,
Astrid