Wie beginne ich, wie verpacke ich diese Schönheit, Anmut, Vollendung bloß in Worte?
Beim Anfang zu beginnen macht meistens Sinn.
Also, da stehe ich am Flughafen, soeben gelandet und sehe mich um. Ich weiß sofort, wo es langgeht, um zum Leihauto zu kommen. Ich verlasse den Flughafen, meinen Koffer an der Hand und folge den Hinweisschildern. Ein Shuttlebus bringt uns zur Autovermietung.
Den haben wir verpasst und somit müssen wir warten.
Ich stehe exakt auf der Stelle, wo in Kürze der Bus parkt. Ich schließe meine Augen, erde mich und atme. Fast rollen mir die Tränen, da plötzlich ein Gefühl der Vertrautheit hochkommt. Ein Gefühl von: Ich bin zu Hause. Das ist nicht das erste Mal, aber dass es mir hier in Island ebenso ergehen wird, damit habe ich nicht gerechnet.
Island, du hast mich vom ersten Augenblick an berührt. Ist es Liebe auf den ersten Blick?
Suche das Glück nicht mit dem Fernrohr. (Aus Island)
… Es gibt hier nichts zu suchen, nur zu finden. Zumindest ist das mein Gefühl von Beginn der Reise an.
Ich öffne wieder meine Augen und … sehe nicht viel. Ich drehe mich einmal im Kreis und sehe ein paar parkende Autos und das Flughafengebäude, ansonsten die Unendlichkeit. Wo sind Lebewesen, Häuser … Zivilisation wo bist du? Wo ist all der Lärm, der Schmutz, die Tristesse?
Kennst du diesen Moment, wo es an nichts fehlt?
Nichts lieber, als genau hier zu stehen, zu atmen und zu lächeln. Ich fühle mich klein, gleichzeitig aber auch sehr groß. Ich kann atmen, ohne eine schwere auf der Brust zu verspüren.
Ich fühle mich in die Umgebung eingebettet, eingepflanzt, so als wäre ich nur kurz weggewesen und nun wieder zurück.
Das fühlt sich gut an.
Wie wird es weitergehen?
Der Mensch ist ein Gaul, der von einem Teufel namens Eile geritten wird. (Aus Island)
Wir haben keine Eile. Im Alltag (manchmal) sehr wohl. Hier nicht.
Wir holen das Auto und fahren los.
Ich bin mit einer Absicht nach Island gekommen. Mit einer Absicht, die ich in Meran (Südtirol) begonnen habe umzusetzen, mir aber nur bedingt gelungen ist. Warum? Vielleicht weil Meran für so manches geeignet ist, nicht aber um geistig abzunehmen und somit schlanker zu werden. Wir könnten auch Hirnentleerung dazu sagen. Ich möchte alten Ballast ablegen, alles, was mir nicht mehr dienlich ist, loslassen. Nicht schon wieder loslassen?
Hört das denn niemals auf?
Kaum, denn wir entwickeln uns stetig weiter. Was uns zu bestimmten Zeiten an Begegnungen, Gedanken, Dingen hilfreich war, kann nach einiger Zeit möglicherweise ausgedient haben. Das gilt es zu erkennen, zu akzeptieren und dementsprechend zu handeln.
Folgende Fragen können hilfreich sein: Was blockiert dich? Was hängt sich an, wie das sprichwörtliche Kreuz am Rücken? Was lähmt dich, hindert dich am Vorankommen?
Das können alte, vertraute Gewohnheiten, Gegenstände, aber auch Menschen sein. Ich weiß, dass das nicht immer leicht ist. Darüber zu schreiben ist einfacher. Aber, manchmal ist es besser sich – von was oder wen auch immer – zu trennen, als wie ein Klammeräffchen daran festzuhalten. Da gibt es dieses wunderbare Sprichwort (diesmal kein isländisches), dass mich bereits viele Jahre begleitet und oft sehr hilfreich war: „Wenn du entdeckst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab“ (Dakota-Indianer).
Zurück zu meiner Reise.
Ich möchte Ballast abwerfen, meine Batterien neu aufladen, Platz machen für neue Begegnungen, Projekte & Ideen.
Vor Island war ich in Meran. Der Sommer ist heuer sehr „bunt“ 🙂
Meran hat mir seelisch gut getan, aber ich konnte keinen Ballast abwerfen.
Vielleicht weil zu schön, zu perfekt? Hört sich das eigenartig an? Braucht es zuweilen eine Form der Kargheit um sich innerlich zu säubern, zu klären?
Aber Island scheint mir dafür bestens geeignet. Folgendes, witzige isländische Redewendung klingt sehr vielversprechend: Das ist die Rosine am Ende des Hot Dogs. (Das bedeutet, man erlebt am Ende einer Sache (vielleicht auch Suche?) eine Überraschung, meist eine positive.)
Wie wird es mir nach dieser Reise ergehen?
Ich bin Jahre nicht mehr Auto gefahren, auch das ist ein Thema hier in Island. Noch ist es nicht soweit, aber ich werde mich wieder hinters Steuer setzen. Der Bann „muss“ gebrochen werden.
Wir erreichen Reykjavik. Eine moderne Stadt, es wird viel gebaut, renoviert und dementsprechend umgeleitet. Das kennen wir doch woher …
Ein Strandspaziergang scheint jetzt genau das Richtige.
Himmlisch, diese Ruhe, diese Weite, dieser Geruch … Da ist kaum jemand, Isländer, Touris wo seid ihr?
Ich lächle, atme und genieße! Es braucht so wenig um Glücksgefühle wahrzunehmen. Momente der Stille und des Einsseins mit sich selbst. Wie ist das bei dir? Was brauchst du?
Es führt uns weiter in den Süden. Unzählige Kilometer fahren wir dahin, sehen kaum Häuser und Menschen, dafür wunderschöne Isländer Pferde in allen Farben und Mustern, Schafe und Vögel.
Die Landschaft wechselt, manchmal nur schwarzer Sand-, Lava-, oder moosbewachsene Stein-Landschaften, manchmal große Felder mit plastikverpackten Heuballen. Liebevoll „Marshmallows“ von mir genannt.
Es ist (endlich) soweit! Das erste Mal seit Jahren setze ich mich wieder hinters Steuer. Bin weder nervös, noch angespannt. Es war meine Absicht hier in Island wieder zu beginnen und so geschieht es auch. Es fühlt sich gut an, so als hätte ich „nur“ eine längere Pause eingelegt. Ich fühle mich frei – noch freier, seit ich hier in Island bin. So als hätte sich eine Fessel gelöst. Kennst du dieses Gefühl?
Wir wechseln jede Nacht das Hotel, auch eine interessante Erfahrung. Es ergibt sich eine gewisse Routine, Koffer rein, Koffer raus … Bemerkenswert ist, dass ich für gewöhnlich „meinen Kampf“ mit Matratzen führe. Hier in Island ist das kein Thema. Jede Matratze lässt mich friedlich, entspannt schlummern. Ach, wie erholsam. Womit sind diese Matratzen bloß gefüllt? Isländisches Rosshaar?
Wasserfälle haben für mich etwas magisches, wildes, unberechenbares und reinigendes. Und Island bietet Wasserfälle zuhauf. Staunend und ehrfürchtig stehe ich immer wieder aufs Neue davor und lasse dabei meine Gesichtshaut zart von Wassertropfen benetzen.
Jeder Stopp, jede Etappe trägt etwas Vergangenes und gleichzeitig Neues in sich. Mit jeder Weiterfahrt lasse ich bewusst oder unbewusst Altes los. Ich fahre auf etwas Neues, oft Atemberaubendes hinzu, mein Herz weit geöffnet, voll der Vorfreude, verweilend im Hier und Jetzt. Ich bin genau hier! Niemals viel mir das leichter als hier in Island. Niemals war ich präsenter als hier.
Island – I love you!
Gleich wo wir landen, freundliche, liebevolle, offene Gesichter, die scheinbar nichts zu verbergen haben. Am liebsten möchte ich sie alle umarmen, ich unterlasse es aber, womöglich muss ich noch gegen einen Wikinger kämpfen um wieder freizukommen 😉
Ich denke, es ist leichter mit weniger Gebäck zu reisen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Aber, auch mit weniger „Gebäck“ im Kopf. Auch denke ich da nicht nur an eine tatsächliche Reise, sondern auch an unsere „Alltags-Reise(n)“. Weniger Denken mehr Tun, dass ist (wieder) einmal mehr meine persönliche Motivation. Was habe ich mir zum Beispiel aufgrund meiner „Ichkannnichtautofahrenweil-Wahnsinnsphopie“ für unzählige (im Nachhinein betrachtet) – Horrorszenarien-Geburten zu Kopf steigen lassen? Ich habe mich für nichts und wieder nichts selbst gequält, alles selber kreiert und mich wertvoller Zeit für andere Dinge beraubt.
Jetzt nach 15 Jahren steige ich wieder ins Auto und warum? Weil ich es beschlossen habe, weil ich gesagt habe, in Island beginne ich wieder. Und so war es. Hatte ich Angst, war ich unsicher? Nein! Manch einer denkt jetzt vielleicht, was macht sie da für ein Theater, ist ja nur Autofahren. Wir haben alle Ängste, unsere quälenden Dämonen, was für den einen lächerlich, nicht nachvollziehbar ist, ist für den anderen eine Mount Everest-Besteigung.
Island hat mich frei(er) gemacht, ich fühle mich nach dieser Reise leichter.
Ich bin bereit für den Herbst. Blätter werden wie jedes Jahr fallen, es wird wieder kühler und auch dunkler. Mir ist das gleich, so wie auf Regen wieder Sonnenschein folgt, so wird auch wieder der nächste Sommer kommen. Und wenn der wieder da ist, werden ich wahrscheinlich am Weg nach Island sein … oder am Weg nach Schweden, nach Norwegen, oder doch nach … Ach, ich folge einfach der Stimme meines Herzens – wie sonst auch.
Die Großzügigen und Mutigen haben das beste Leben. (Isländisches Sprichwort)
Alles Liebe & Namaste,
Astrid