Die Eigenschaften, die wir bei anderen nicht mögen, sind verleugnete Teile unseres Schattens.
Ich komme in eine Gruppe von Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können. Es ist Montag und ich weiß, dass dieses Seminar vier Tage dauert.
Ich nehme meinen Platz ein, blicke mich um und beginne zu sortieren. Aha, schräg gegenüber sitzt eine, die schaut drein wie sechs Tage Regenwetter,
was ist der denn über die Leber gelaufen – Kategorie: nicht sehr sympathisch. Die mir visavis lächelt mich offen an – Kategorie: sehr sympathisch.
Eine andere schnupft und hustet wie verrückt herum – Kategorie: wie egoistisch, warum ist sie nicht zuhause geblieben, die wird uns „alle“ noch anstecken.
So geht es weiter, bis zu dem Moment, wo ich mal kurz innehalte und vor mir selbst innerlich „auf die Knie“ sinke, aber nicht vor Freude, sondern vor Scham.
Wie schnell sind wir im, (ver)urteilen, kategorisieren und in der Bewertung.
Was unterdrücke ich? Wo verleugne ich mich?
Im Yoga-Unterricht gibt es die Phrase: Die Postion, die du überhaupt nicht magst, ist genau die, die du aber brauchst.
Vielleicht sind genau die Personen, die uns am meisten nerven, die uns am leichtesten auf die Palme bringen, genau die, die wir genau jetzt als unsere Lehrer brauchen?
Immer wieder fällt mir auch auf (sofern ich achtsam bin), dass Menschen, die mich bewusst oder unbewusst an andere (negativ) erinnern, fast keine Chance haben
bei mir „zu landen“. Und jedes mal denke ich mir, wie ungerecht von mir. Da gilt es zu erkennen, was kommt da hoch? An welche Geschichte – aufgelöst oder nicht – erinnert
mich dieser Mensch? Wenn es mir so geht, vielleicht ergeht es anderen auch so? Und wenn ich den Gedanken weiterspinne, wie viele Menschen konnten wir aufgrund
solcher „Geschichten“ nicht wirklich kennenlernen und sind somit spurlos an uns vorüber gegangen? Das stimmt mich nachdenklich und traurig.
Bevor Du urteilen willst über mich oder mein Leben, ziehe meine Schuhe an und laufe meinen Weg, durchlaufe die Straßen, Berge und Täler, fühle die Trauer,
erlebe den Schmerz und die Freude. Durchlaufe die Jahre, die ich ging, stolpere über jeden Stein, über den ich gestolpert bin, stehe immer wieder auf und gehe genau die
selbe Strecke weiter, genau wie ich es tat. – Und erst dann kannst Du urteilen. (Autor unbekannt)
Das Seminar ist gut gelaufen, ich bin auch genau auf die Menschen zugegangen, die ich ansonsten (bewusst oder unbewusst) wenig oder gar nicht beachtet hätte.
Und siehe da, genau diese Menschen haben mich am meisten überrascht, mich geistig beflügelt und auf neue Gedanken gebracht.
Ich wünsche dir eine friedvolle Woche – frei von Verurteilung deiner Mitmenschen!